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Chinese Büro Story

Neben dem allseits beliebten Thema „Geld“ gibt es für die Chinesen nichts wichtigeres als „Beziehung“. Um Verwirrungen vorzubeugen, geht es hierbei nicht etwa um Beziehungen im Sinne von Connections, die ohne Zweifel auch ein extrem wichtiger Bestandteil des chinesischen Soziallebens darstellt. Nein, mit „Beziehung“ meine ich diesmal tatsächlich die „Liebesbeziehung“, die auch deswegen so eine herausragende Rolle im Privatleben eines Chinesen einnimmt, als dass ein Durchschnittschinese, im Vergleich zu den Europäern oder Amerikanern, in seinem erwachsenen Leben weitaus weniger Beziehungen durchläuft bevor der „Ernstfall“ eintritt. Die kaum vorhandene Regelmässigkeit, mit der ein Chinese solche emotionale Achterbahnfahrt durchlebt, spiegelt sich etwa auch darin wieder, dass „eine Beziehung führen“ für einen Chinesen weniger ein Lebensabschnitt ist, sondern viel mehr vergleichbar eine Aufgabe, die sowohl strategisch als auch taktisch aktiv und mit sorgfältiger Plannung angegangen werden muss und die vorallem einen Best Practice folgt. Nicht um sonst heisst es auf chinesisch „谈恋爱“, was frei übersetzt sowas wie „Reden über die begehrende Liebe“ bedeutet. Die Betonung der verbalen Komponente in einem solchen Akt der zweisamen Begierigkeit musste ich oft genug am eigenen Leibe erfahren. Die unzähligen, „zufällig“ von Verwandten und Freunden herbeigeführten, (Blind-)Dates mit potentiellen Beziehungspartnern (相亲) zeigten auf erschreckender Weise, dass an der Einleitung einer Liebesbeziehung auf Chinesisch stets der Charakter einer verbalen Verhandlung haftet. Nichts wird dem Zufall überlassen. Oft wird am Verhandlungstisch (nicht selten unter Anwesenheit von Elternteilen oder zumindest engen Verwandten) mit harten Bandagen gekämpft. Und beide Parteien geben sich keine Ruhe, bis alle Karten auf dem Tisch liegen, wenn sie nicht schon vorab des Verhandlungstermins bereits Informationen aus Drittquellen über die Kontrahenten beschafft haben…

Bisher dachte ich, dass man am Arbeitsplatz von solchen „freundlich gemeinten“ Eingriffen in die eigene Privatsphäre verschont wird. Aber weit gefehlt. Neulich half ich einem Kollegen am Nebentisch beim Lösen eines technischen Problems an seinem Laptop. Beiläufig fragte er mich, ob ich schon iliert sei. Als ich die Frage verneinte, ist der Kollege, selbst schon Vater einer erwachsenen Tochter, plötzlich Feuer und Flamme und wollte unbedingt wissen, was für eine Art Lebenspartner ich mir denn vorstellen könnte. Nachdem ich die Frage überhaupt erst realisiert habe, meinte ich nach hinundher scherzhaft, wohl auch um das bizarre Bürogespräch schnellst zu beenden, dass die junge Kollegin, mit der er letzens am Tisch unterhalten hat, doch ganz nett sei. Diese beiläufige Aussage sollte sich noch als ein großer Fehler herausstellen. Denn heute kam der entsprechende Kollege tatsächlich lächelnd angeschlichen und brachte mir mit vorgehaltener Hand die freudige Botschaft, er habe nun mit der entsprechenden Kollegin persönlich über mein „Interesse“ ihr gegenüber gesprochen! Sie sei nun nicht abgeneigt. Und ich möge sie doch bitte jetzt zum Essen einladen, um die nächste Etappe des „Redens über die begehrende Liebe“ einzuleiten! Arrrgh!

Meine lieben chinesischen Kollegen überraschen mich doch immer wieder aufs neue mit ihrer Bereitschaft zur Eigeninitiative… 🙄

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Partnerbörse auf Chinesisch

Neulich hatte ich mit einem frischverheirateten Kollegen aus Shanghai eine interessante Unterhaltung hinsichtlich Verkupplungsrituale in China. Dazu muss man wissen, dass anders als in westlichen Zivilisationen, wo die meisten privaten Beziehungen über Arbeit, Freizeit und Internet entstehen,  ist es in China immer noch gang und gäbe, dass Eheleute über Dritt-Personen, in diesem Fall oft Eltern und andere Familienmitglieder miteinander bekanntgemacht werden. Nach Aussage meines  Kollegen hat aber diese über Generationen institutionalisierte Art des Kennenlernens mittlerweile offensichtlich die nächste Stufe der Prozessoptimierung erklommen. Aufgrund der steigenden Arbeitsbelastung in den Großstädten sehen sich immer weniger chinesische Singles im Stande, überhaupt noch persönlich am Verkupplungsprozess teilzunehmen. Soll heissen, häufig finden Verkupplungen sogar in Abwesenheit der Hauptakteure statt.

So würden in einem bekannten Stadtpark von Shanghai mittlerweile regelmässig Versammlungen von Eltern von Kindern in heiratswilligem Alter stattfinden, die wie in einer Tauschbörse mit Fotos und Lebensläufe der eigenen Kinder auf die Jagd nach dem potentiellen Schwieger-Sohn bzw. der potentiellen Schwiegertochter gehen. Angeblich würde derzeit das weibliche Geschlecht ein merkbares Überangebot darstellen. Zu Erklären sei dieser Trend durch das steigende Bildung- und Karrierebewußtsein der modernen chinesischen Frau, die mittlerweile genauso viel und hart arbeitet wie ihr männliches Pendant und dadurch aber gleichzeitig höhere Anforderungen an den zukünftigen stellt. Diese gestresste Generation Karrierefrau hätte mangels Privatleben aber kaum noch Zeit für die Partnermusterung. Daher hätten verzweifelte Eltern die Initiative ergriffen. Ob das „Outsourcing“ von Partnersuche wirklich unter Einwilligung und mit Wissen des Betroffenen geschieht oder nicht, ist oft nicht wirklich klar ersichtlich. Jedenfalls riet mir der Kollege eindringlich davon ab, selbst ein Bild von dieser „Outgesourcten“ Single-Börse im besagten Park zu machen, jedenfalls nicht alleine. Er meinte, als er das letzte Mal dort war (natürlich nur mit Freunden), hätte er beobachtet wie männliche Touristen, die eigentlich nur zufällig vorbeiliefen, regelrecht von einer Meute von Eltern belagert wurden. Diese hätten lautstark Werbung für die eigenen Töchter gemacht, weil sie dachten die Männer wären auf der Suche.

Die groteske Story hat natürlich meine Neugier geweckt. Und ich überlege mir gerade ernsthaft, ob ich die Warnung meines Kollegen nicht in den Wind schlage und mir das ganze am Wochenende aus der Nähe angucken soll. Sollte ich das ganze überleben, gibt es natürlich ein Erlebnisbericht. :mrgreen: