Gestern bin ich wieder mal brav zu meinem wöchentlichen Tango-Argentino-Kurs für Anfänger getigert. Auch wenn es bereits die dritte Unterrichtseinheit ist, fühlen wir uns (Männer) noch wie Babies, denen das richtige Gehen noch beigebracht werden müssen. Das Tango-Gehen, um genau zu sein, ist eine Art der Fortbewegung, die in der Tierwelt üblicherweise von Pfauen und Gänsen praktiziert wird. Auf Kommando Kopf aufrecht nach vorn, Wirbelsäule gerade ziehen als wäre man eine Marionette, Brustkorb raus, Becken leicht nach vorne kippen und nach unten sacken lassen, als hätte man einen Bleigürtel um die Hüfte umgeschnallt bekommen, Fußsohle geschlossen, Fussspitze leicht geöffnet, Beine ja nicht durchgestreckt sondern leicht in Knie gehen und gefühlvoll auf Fussspitze balancieren, ohne dass die Fussballen abheben. So müsste man sich wohl in etwa stolze Argentinier vorstellen, die bei Milongas ihre geballte Männlichkeit auf die Damen loslassen. Ich selber habe selten soviele neue Muskelpartien in meinen Füssen entdeckt, wie seitdem ich angefangen habe, Tango zu tanzen.
Bislang hatten wir leider nur gelernt, wie man ziemlich stupide als Paar im Kreis seine Runde auf der Tatfläche dreht. Die Unterrichtsheit von gestern war in sofern (in wahrsten Sinne des Wortes) „wegweisend“, als dass wir endlich die zweite Dimension in der Welt des Tangos entdeckt haben und zwar in Form des Seitschritts. Endlich nicht mehr nur lemmingenhaftes Vorwärtsgehen im Kreis, was desöftern in nervigem Stop-and-Go endete, weil irgendein Paar gerade eine Verschnaufpause einlegte. Nun kann der schlaue Tangotänzer mit einem saloppen Seitschritt solche Hindernisse (egal ob lebendige oder zum Rauminventar gehörend) auf der Tanzfläche einfach elegant umschiffen!
Beim Einüben desselbigen kam es allerdings zum Eklat. Meine Tanzpartnerin geriet nämlich mit der Tangolehrerin in eine hitzige Grundsatzdiskussion darüber, wie der Mann eigentlich das Signal zum Seitschritt zu geben hat. An dieser Stelle muss man wissen, dass meine Tanzpartnerin offenbar bereits in ihrem früheren Leben sporadische Tango-Erfahrung in Ausland genossen hatte (die, wie sie mit Stolz betont, ihr sogar von original-argentinischen Tänzern instruiert wurde). Mit soviel Vorkenntnissen belastet, konnte sie sich daher überhaupt nicht mit dem Konzept der Lehrerin anfreunden, dass der Mann den Seitschritt durch leichtes Ziehen mit dem linken Führungsarm einleiten zu leiten hat. Stattdessen propagierte sie die Variante, dass der Mann dies allein durch seine gekonnte Atemtechnik (die bei mir leider abundan noch aussetzt) und seinen massiven Oberkörper (den habe ich!) der Partnerin zu mitteilen in der Lage sein sollte. Schließlich sei bei einer überfüllten Milonga eh meistens nicht möglich, den Führungsarm so weit weg vom Körper zu halten, um effektiv zu ziehen, so ihre Argumentation.
Nun ja, die Lehrerin war zwar geduldig, aber dann offensichtlich doch etwas angefressen von der Tatsache, dass ihre Anweisung von einer vorlauten Schülerin im Anfängerkurs in Frage gestellt wurde. Dies führte dann auch dazu, dass die Diskussion etwas in die Länge gezogen wurde als mir lieb war. Ich als stiller Zuhörer der „weltbewegenden“ Debatte, habe das ganze natürlich geduldig und amüsiert verfolgt. Auch wenn die Tatsache, dass ich während der Auseinandersetzung nur rumstehen konnte anstatt zu üben, natürlich suboptimal war. 🙂
Ansonsten bin ich eigentlich ganz froh, eine Tanzpartnerin erwischt zu haben, die bereits Erfahrung mitbringt. So bekommt man auch sofort Feedback, wenn man als männliche Begleitung führungstechnisch was falsch macht. Aber manchmal übertreibt sie dann doch etwas und versucht mir dann Privatunterricht zu geben, deren Inhalte sich dann auch noch desöfteren mit dem der normalen Unterricht kolidiert . 🙂
Sorry, dass der Beitrag etwas lang geworden ist. Wie auch immer, bin schon sehr gespannt auf das nächste Mal…stay tuned.
Was so gesagt wird…