Wie eine alte Dame rollte pünktlich um 20:59 abends unser militärgrün-angestrichener Bummelzug gemächlich aus dem belebten Hauptbahnhof von Chengdu. Bis zur Endstation Lhasa in Tibet-Hochland sollten wir über 3000 km zurückgelegt, dabei über 3130 Meter an Höhe gewonnen und zwei der größten Provinzen im Westen Chinas, Gansu und Qinghai, durchquert haben. Dekadent (bzw. vorsorglich) wie wir waren, haben wir Plätze in der ersten Klasse, der sogenannten „Soft-Sleeper“ gebucht. Eine Tatsache, die man mit westlicher Erwartungshaltung an Geräumigkeit als Komfortattribut mit Sicherheit nicht festmachen kann. Dafür konnte unser Zug mit einigen anderen, für die Tibet-Strecke notwendigen, Besonderheiten aufwarten. So gab es vorsorglich an jedem Bett ein festinstalliertes Sauerstoff-Ventil gegen die Höhenkrankheit. Ein Großteil der Strecke fuhr der Zug nur auf meterhohen Stelzen. Und neben Chinesisch und Englisch gab es die Beschilderungen im Zug zusätzlich mit tibetischen Schriftzeichen.
Trotz des „unbeschreiblichen“ Luxus in unserem Schlafabteil (das übrigens als einziges im ganzen Zug über eine westliche Toilette verfügte), zogen wir der geselligeren Atmophäre des Speisewagens vor. Dort waren wir mit unserer Vorliebe nicht alleine, u.a. machten wir dort die nette Bekanntschaft eines Schweizer Ehepaars, welches gerade eine kleine Auseinandersetzung mit der Bedienung hatten wegen einer gefälschten Banknote. Diese waren übrigens bereits monatelang mit Fahrrädern quer durch Südostasien gereist und befanden sich auf dem Weg über Tibet nach Nepal. Überhaupt schien der Speisewagen ein Lieblingsaufenthaltsort für ausländische Zugreisender zu sein, die auch schon mal länger dort ausharren als nötig. Jedenfalls ließe folgende Übersetzungshilfe für die fremdsprache-unkundige Zugbegleitung darauf schließen. Wobei ein „HELL, what do you need?“ nicht unbedingt von Fingerspitzengefühl zeugt. 😀
Ansonsten gestaltete sich die über zwei Tage lang dauernde Zugreise durchaus kurzweilig, auch wenn wir an fast jedem möglichen Kaff Halt machten. Landschaftlich wurden uns so einiges geboten. Von sanft am Horizont vorbeiziehenden Sanddünen, über endlose Salzseen voller Möven bishin zu Schnee bedeckten Gebirgsketten wurden einiges für die Kameralinse geboten…das heisst, wenn der Kameramann mal zufällig wach war 😉
Posted by Matthias Gross on Juni 25, 2010 at 20:10
Wunderbare Bilder, tolle Landschaften. Gerne mehr davon