Neulich hatte ich mit einem frischverheirateten Kollegen aus Shanghai eine interessante Unterhaltung hinsichtlich Verkupplungsrituale in China. Dazu muss man wissen, dass anders als in westlichen Zivilisationen, wo die meisten privaten Beziehungen über Arbeit, Freizeit und Internet entstehen, ist es in China immer noch gang und gäbe, dass Eheleute über Dritt-Personen, in diesem Fall oft Eltern und andere Familienmitglieder miteinander bekanntgemacht werden. Nach Aussage meines Kollegen hat aber diese über Generationen institutionalisierte Art des Kennenlernens mittlerweile offensichtlich die nächste Stufe der Prozessoptimierung erklommen. Aufgrund der steigenden Arbeitsbelastung in den Großstädten sehen sich immer weniger chinesische Singles im Stande, überhaupt noch persönlich am Verkupplungsprozess teilzunehmen. Soll heissen, häufig finden Verkupplungen sogar in Abwesenheit der Hauptakteure statt.
So würden in einem bekannten Stadtpark von Shanghai mittlerweile regelmässig Versammlungen von Eltern von Kindern in heiratswilligem Alter stattfinden, die wie in einer Tauschbörse mit Fotos und Lebensläufe der eigenen Kinder auf die Jagd nach dem potentiellen Schwieger-Sohn bzw. der potentiellen Schwiegertochter gehen. Angeblich würde derzeit das weibliche Geschlecht ein merkbares Überangebot darstellen. Zu Erklären sei dieser Trend durch das steigende Bildung- und Karrierebewußtsein der modernen chinesischen Frau, die mittlerweile genauso viel und hart arbeitet wie ihr männliches Pendant und dadurch aber gleichzeitig höhere Anforderungen an den zukünftigen stellt. Diese gestresste Generation Karrierefrau hätte mangels Privatleben aber kaum noch Zeit für die Partnermusterung. Daher hätten verzweifelte Eltern die Initiative ergriffen. Ob das „Outsourcing“ von Partnersuche wirklich unter Einwilligung und mit Wissen des Betroffenen geschieht oder nicht, ist oft nicht wirklich klar ersichtlich. Jedenfalls riet mir der Kollege eindringlich davon ab, selbst ein Bild von dieser „Outgesourcten“ Single-Börse im besagten Park zu machen, jedenfalls nicht alleine. Er meinte, als er das letzte Mal dort war (natürlich nur mit Freunden), hätte er beobachtet wie männliche Touristen, die eigentlich nur zufällig vorbeiliefen, regelrecht von einer Meute von Eltern belagert wurden. Diese hätten lautstark Werbung für die eigenen Töchter gemacht, weil sie dachten die Männer wären auf der Suche.
Die groteske Story hat natürlich meine Neugier geweckt. Und ich überlege mir gerade ernsthaft, ob ich die Warnung meines Kollegen nicht in den Wind schlage und mir das ganze am Wochenende aus der Nähe angucken soll. Sollte ich das ganze überleben, gibt es natürlich ein Erlebnisbericht.
Was so gesagt wird…